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Erstellt:25.01.2010
Aktualisiert:31.03.2012 Rechtschreibung
  

de Maizières Wortbruch


Oder: Die Gunst der Stunde

Bundesinnenminister Thomas de Maizière, der als Nach­folger von Wolfgang Schäuble mit dem Ver­sprechen angetreten war, eine Wende in der Innen­politik einzu­leiten und nicht mehr auf jede latente Bedrohung mit einem neuen Gesetz reagieren zu wollen, ließ ganz schnell seine Maske fallen. Nach dem miß­glückten Anschlag des Nigeri­aners Umar Farouk auf eine US-Passagier­maschine in Detroit meinte de Maizière betreffend der Einführung einer Flug­gast­daten­speicher­ung in Europa:

Wenn man das machen will, dann jetzt

Europa hatte den Plan zur Speicher­ung der sogenan­nten Passenger Name Records (PNR) Ende 2008 nicht zueletzt aufgrund des Wider­stands der damaligen Bundes­regierung auf Eis gelegt. Nun ist es aus­gerechnet de Maizière, der die Pläne erneut auf den Tisch legt und in Europa voran­treibt. Für ihn ist die Flug­gast­daten­speicher­ung keine Frage des 'ob', sondern nur des 'wie'.

Wenn man das machen will, dann jetzt. Respekt. Nicht einmal Wolfgang Schäuble hat so un­verhohlen und frech zu­gegeben, einfach nur die Gunst der Stunde nach einem Vorfall zu nutzen, um die Grund- und Bürger­rechte wieder ein Stück mehr ein­zu­schränken.

Fakt ist: Bezogen auf das gesamte Flug­auf­kommen ist die Wahr­scheinlich­keit, das Opfer eines Flug­zeug­absturzes zu werden, ver­schwindend gering. Sechs Richtige im Lotto zu haben, ist wahr­schein­licher. Und noch un­wahr­scheinlicher ist es, daß ein solcher Flug­zeug­absurz die Folge eines Terror­anschlags ist. Im Ver­gleich zu den all­gemeinen Lebens­risiken ist es also völlig absurd, in Europa über­haupt von einer ter­roristischen Bedrohung zu reden. Trot­zdem soll ein einzelner Vorfall, der sich in den USA ereignete und zudem noch miß­glückte, jetzt zum Anlaß genommen werden, eine neue gi­gantische Vorrats­daten­speicherung ein­zufüh­ren. Ganze 13 Jahre lang sollen die Daten aller Rei­senden gespeichert werden.

Doch nicht nur das. Gleich­zeitig plant de Maizière, in Deutsch­land die sog­enannten Nackt­scanner an deutschen Flug­häfen ein­zusetzen. Flug­reisende werden künftig also nicht nur gläsern sein, was ihre Daten be­trifft, sondern auch, was ihre Bekleidung betrifft. Sie werden buch­stäb­lich nackt sein. Zwar wird ver­sprochen, daß die Ab­bildung des Körpers auf dem Monitor durch eine Soft­ware ver­fremdet würde. Wer jedoch einmal eine Original­aufnahme eines solchen Gerätes gesehen hat, der weiß, daß der Scanner sehr wohl eine durch­aus detail­getreue und foto­realistische Nackt­ab­bildung produziert, ver­gleich­bar einer Schwarz­weiß­aufnahme. Sich ohne be­gründeten Verdacht nackt ablichten lassen zu müssen, ver­letzt meiner Meinung nach die Menschen­würde. Völlig egal, ob die Be­diener der Anlage ein ver­fremdetes Foto zu sehen bekommen oder nicht. Zudem fehlt mir das Ver­trauen, daß die Aufahmen wirk­lich nicht im Original sichtbar gemacht, und/oder gar ge­speichert werden können. Auch ahne ich wohl nicht ganz grund­los, daß spätestens nach dem nächsten ge­eigneten Zwischen­fall der Ruf laut werden wird, die Scans in der Rohfassung für eine gewisse Zeit zu speichern oder sie aus rein prag­matischen Gründen gar gleich den 13 Jahre lang zu spei­chernden PNR bei­zufügen. Sei es zu Beweis­zwecken, oder zur Re­konstruktion von Unregel­mäßig­keiten.

De Maizière will Wech­sel in der Innen­politik

Mit Blick auf die Anti-Terror-Ge­setz­gebung betonte de Maizière gegen­über der Süd­deutschen Zei­tung, er könne nicht "zur Vor­beu­gung gegen jede Ge­fahr ein Ge­setz machen". Der Minister sagte, er wolle raus "aus den alten Lagern".

Quelle ]

Herr de Maizière,

ein miß­glückter Anschag und eine gegen Null ten­dierende Wahr­schein­lich­keit, Opfer eines Terror­an­schlages zu werden, ge­nügen Ihnen, um derart ein­schnei­dende Maß­nahmen ein­zufüh­ren? Was ist, wenn der nächste Möchte­gern­terrorist den Spreng­stoff in einer Körper­öffnung ver­steckt? Müssen dann äqui­valent zum Nackt­scanner die Kör­per­öffnungen aller Reisenden durch­sucht werden? Grund­rechts­konform auto­matisierte Anal- und Vaginalsonden? Und was, wenn der nächste Atten­täter den Spreng­stoff einfach schluckt? Wird dann gemäß Ihrer Sicher­heits­logik jeder Flug­reisende geröntgt? Wo ist die Ver­hältnis­mäß­keit? Was ist, wenn ein An­schlag auf die deutsche Bahn erfolgt? Nackt­scanner an Bahn­höfen und die längst fällige Zug­gast­daten­speicher­ung? Was werden Sie unter­nehmen, wenn ein Atten­täter einen Anschlag auf ein Kauf­haus unter­nimmt? Nackt­scanner in Kauf­häusern? In Schulen? In öffent­lichen Gebäuden, Firmen und Restaurants? Nackt­scanner überall und Vor­rats­daten­speicher­ung über Alles und Jeden? Auf Vor­rat speichern, wer wann wo war und was er dort getan hat? Damit haben Sie ja kein Pro­blem, immer­hin sagten Sie am 18.01.2010 beim Dia­log mit einer Bürger­rechts­bewe­gung, aus Sicht der öffent­lichen Sicher­heit sei nicht die Samm­lung von Daten das Pro­blem, sondern der Zu­griff darauf. Also alle Daten über jeden auf Vorrat sammeln?

Und was wird Ihre letzte Konse­quenz sein, wenn Sie alles über Jeden spei­chern und alles durch­suchen und über­wachen lassen und am Ende dennoch die schmerz­hafte Er­fah­rung machen, daß Sie trotzdem kein Attentat damit ver­hindern können? Werden Sie dann vor­schlagen, allen Menschen unvmittel­bar nach der Ge­burt einen Über­wachungs­chip ein­pflanzen zu lassen? Okay, davor wird uns das Bundes­verfassungs­gericht hoffent­lich noch eine Weile schützen. Nur frage ich mich, warum deutsche Innen­minister tradi­tionell nicht ein­sehen können oder wollen, daß den Ein­griffs­möglich­keiten des Staates in die Privat- und Intim­sphäre der Bürger un­über­schreit­bare Grenzen gesetzt sein müssen. Daß der Staat seine Bürger eben nicht ohne be­gründeten Verdacht nackt aus­ziehen darf.

Also was soll der Ihrem Antritts­ver­sprechen massiv wider­sprechende, blinde Aktionismus, Herr de Maizière? Ich sage nicht, daß man auf alle Sicher­heits­maß­nahmen ver­zichten soll. Aber dort wo die Würde des Menschen ver­letzt wird und seine Bürger­rechte wie z.B. das Recht auf infor­mationelle Selbst­bestim­mung un­verhältnis­mäßig und un­gerecht­fertigt ver­letzt werden, muß Schluß sein. Denn glauben Sie mir:

Eine hinreichende Motivation und eine durch­schnitt­liche Intel­ligenz genügen jedem Atten­täter, um trotz aller erdenklichen Sicher­heits­maß­nahmen irgend­wo und irgend­wie hunderte Men­schen in den Tod zu reißen. Würden Sie den weitaus wahr­schein­licheren Risiken des täg­lichen Lebens genauso irratio­nal begegnen wie diesem miß­glückten Terror­an­schlag, dann müßten Sie die persön­liche Frei­heit des Individuums komplett abschaffen. Kein un­kontrolliertes Essen, kein Alkohol, kein Tabak, kein Auto­fahren, keine gefähr­lichen Spor­tarten, kein Heim­werken und auch keine Haus­arbeit. All dies und noch viel mehr ist rein statistisch gesehen tausend­fach gefähr­licher, als mit dem Flug­zeug zu fliegen.

 Freiwillige Nacktscans? 

Befürworter des Nackt­scanners argu­mentieren in Dis­kus­sionen nicht selten damit, man könne das Nackt­scannen zur Wah­rung der Menschen­würde auf frei­williger Basis ein­führen. Somit könne jeder Rei­sende selbst ent­scheiden, ob er sich nackt ab­lichten lassen will, oder sich lieber kon­ventio­nell ab­fertigen lassen möchte.

Was spricht dagegen?

Dagegen spricht, daß das Nackt­scannen mit an Sicher­heit genz­ender Wahr­schein­lich­keit schneller und rei­bungs­loser von­statten gehen wird. Schon allein, weil die­jenigen, die sich frei­weillig nackt scannen lassen werden, in den Augen der Sicher­heits­kräfte un­verdächtig sein werden, währ­end die Verweigerer per se als ver­dächtig gelten werden und mit gründ­licheren Durch­such­ungen oder gar Re­pres­salien werden rechnen müssen.

Völlig egal, ob die Sicher­heits­kräfte vor Ort diesen Grund­ver­dacht gegen­über den Ver­weiger­ern zugeben werden oder nicht. Un­ver­meidlch wird es auf eine Dis­krimi­nierung der­jenigen hinaus­laufen, die etwas zu ver­bergen haben.

Die Würde des Men­schen ist un­antast­bar und niemand darf für die Wahr­nehmung seiner Grund­rechte be­nach­teiligt werden. Ebenso darf nie­mand für den frei­willigen Ver­zicht auf seine Grund­rechte be­vor­zugt be­handelt oder gar be­lohnt werden. Von Seiten des Staates darf es auch keine An­reize für den frei­willigen Ver­zicht auf Grund­rechte geben. Damit würde er näm­lich sig­nalisier­en, daß er Grund- und Menschen­rechte als nicht schutz­würdig er­achtet.

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